Strohdachdecker
Einen zweiten, interessanten Erklärungsansatz stellt die Möglichkeit dar, der Familienname "Xhonneux" könnte auf einen Beruf hindeuten, der durch Familienmitglieder ausgeübt worden wäre. Worum handelt es sich?
In einem Bericht aus dem Jahre 1744 bezüglich einer Kirche auf dem Gebiete der Gemeinde Andrimont wird ein Dach, welches mit sog. "xhones" gedeckt war, beschrieben. Man bemerke die phonetische Ähnlichkeit zu dem französischen "chaume" (, dt. Ried). Laut J. S. Regnier soll es sich hierbei um mit Lehm bestrichenen Ried gehandelt haben, womit wir beim Dachdeckerberuf wären. Wie dem auch sei, diese ursprüngliche, wallonische Bezeichnung ist dem aus dem germanischen "Stro" abgeleiteten "strin" gewichen. In der Vervierser Gegend hat das Wort "xhones" noch länger Bestand gehabt als in der restlichen Wallonie. Anderen zufolge ginge "xhonte" auf ein keltisches oder germanisches Radikal zurück, welches für "Lehm" stünde.
Im Zusammenhang mit der Entstehung der romanisch-germanischen Sprachgrenze in Belgien ist es zur Zeit der fränkischen Kolonisation zu wechselseitigen Einflüssen gekommen. Es hat in der Kontakt- und Übergangszone eine Zeit der begrenzten Zweisprachigkeit gegeben, in welcher die Bevölkerung die entsprechenden Begriffe für bestimmte Dinge, hier besonders militärische und landwirtschaftliche, in der jeweils anderen Sprache kannte. Aufgrund dieser Tatsache könnte man vermuten, dass die im Spätmittelalter in Baelen ansässige Familie Stroedecker in Wirklichkeit Xhonneux’ wären, welche aus dem romanischen Gebiet zuwanderten. Dies ist natürlich nur eine Hypothese.
In den Justizarchiven der Bank Herve finden sich im Jahre 1642 ein Lambert le xhoneuz und ein Lambert le xhoneret (Diminutiv des Ersten) sowie im Jahre 1686 ein Olivier Lambert le xhoneux wieder, und in einem anderem Bestand wird von einem Piron le Xhoneux gesprochen. In dieser Gegend setzt noch heute die wallonische Mundart den Artikel entweder vor dem Familiennamen oder vor dem Vornamen, der auf den Nachnamen folgt, jedoch niemals zwischen den beiden, da in diesem Falle der Terminus, welcher dem Artikel folgt, eine Charaktereigenschaft (z. B. Frédéric le Baguette) oder einen Beruf (Henri le Menuisier) bezeichnet. In den drei vorliegenden Fällen scheint es sich also entweder um einen Wesenszug oder um einen Beruf zu handeln. In diesem Zusammenhang ist es interessant zu erwähnen, dass manche Xhonneux in der Vervierser Umgebung den Beinamen "le Hayeteux" erhielten, was auf Wallonisch "Schieferdecker" bedeutet. "Xhayet" und "Xhayeteux" sind überdies reell existente Familiennamen im Raume Weismes, Theux, Faymonville, Bevercé, Forêt, Stavelot und Sart bzw. Lüttich.